Circa 4 Kilometer außerhalb der verschlafenen, toskanischen Kleinstadt Castel del Piano liegt die Oliven-Hazienda von Charly Wenning. Hinunter ins Tal ziehen sich Olivenhaine sowie Kastanien- und Buchenwälder soweit das Auge reicht. Oberhalb thront Castel del Piano, wie beinahe alle toskanischen Orte auf einer Anhöhe. Obwohl nicht weit entfernt, so ist man doch losgelöst vom alltäglichen Trubel. Ohne Telefon, Fernseher und Internet läuft das Leben langsamer und bewusster. Gerade morgens genieße ich die Ruhe. Nach dem Kälteeinbruch über ganz Italien sind jetzt angenehme Frühjahrstemperaturen angesagt. Mit einer Tasse Kaffee vom Holzofen schaue ich den Bienen zu und kauere mich in eine windstille Ecke. Wenn das allgemeine Aufwachen und Frühstücken vorbei ist, beginnt aber auch hier die Arbeit. Bis zum Sonnenuntergang wird gepflastert, gespachtelt, geschnitten und gesägt, auf dass das altehrwürdige Gemäuer noch viele Winter überstehen mag. Ist der Arbeitstag dann aber vorüber und die geschundenen Hände erst mal versorgt, bricht ein neuer Teil des Tages an. Bei Charly's mediterranen Köstlichkeiten kommen die wahrlich wichtigen Themen auf den Tisch: Sind Zitronen basisch? Wie viele Endungen hat ein Sauerstoffmolekül? Und wie lange sind die Haare an den Beinen von Elefanten?
Man könnte immer so weitermachen. Aber die Stimme in meinem Kopf wird immer lauter. Sie verlangt nach Anstiegen, nach Abfahrten, nach Anstrengungen und nach Überraschungen. Und so sitze ich plötzlich wieder auf dem Bike. Im Kopf noch die schweren Reggae-Bässe vom wöchentlichen Ausflug in die Zivilistation, unter den Raedern schon wieder Asphalt.
Rom ruft und ich komme Kilometer für Kilometer näher. Die direkte Fahrt in Richtung Süden schlägt sich auch auf die Temperaturen nieder. Mittags reicht es im T-Shirt zu biken, morgens genügt ein dicker Pullover um sich den Weg aus dem Schlafsack zu bahnen. Da mein Start wieder auf ein Wochenende fällt sind die Straßen völlig leer. Kilometerweit nichts als Felder, Plantagen und Natur. Nur selten komme ich durch Wohnsiedlungen und auch dann nur durch abgeschiedene Dörfer. Feld- und Waldarbeit und zu anderen Jahreszeiten vielleicht auch der Tourismus, bestimmen das Leben. Nach drei Tagen rolle ich mit dem Zug im Roma Termini ein. Den Vormittag verbringe ich wieder einmal damit Schmuck an unschuldige Touristen zu verkaufen. Nachmittags habe ich dann auch eine Bleibe für die Nacht (und damit auch einmal wieder eine warme Dusche) gefunden. Morgen steht nun Power-Sightseeing in Rom an. Und schon übermorgen geht es weiter in Richtung Süden.