Albanien, Albanien und immer wieder Albanien

Gerade mal festen Untergrund unter den Reifen, schon ist der Asphalt wieder zu Ende. Die Fahrt nach Maliq gleicht der vom Vortag. Der selbe staubige Pfad, die selben erstaunten Blicke und die selbe herzliche Gastfreundschaft.
Der erste Abend auf diesem Streckenabschnitt endet im Hause einer streng muslimischen Familie. Der älteste Sohn ist mit einer Holländerin verheiratet. Zusammen mit den Eltern und den beiden Geschwistern leben sie in völliger Abgeschiedenheit hier in Moglice. Einmal täglich fährt ein Bus ins 30 km entfernte Mogliq, Brot gibt es nur jeden dritten Tag und auch man lebt hier recht genügsam. Fünf Monate ist sie inzwischen hier und wartet auf das ersehnte Visum für ihren Mann. Zuvor hat sie drei Jahre in Griechenland gelebt. Mit ihrer holländischen Heimat verbindet sie die Hoffnung auf ein Ende dieses spartanischen und harten Lebens in den albanischen Bergen.
Sie hat sich zwar eingefügt in die albanische Gesellschaft. Gemeinsam mit ihrer Schwägerin und der Schwiegermutter bereitet sie eilig das Essen und mein Bett. Erst dann setzt sie sich zu ihrem Mann auf's Sofa. An's Fussende, seine Füße im Schoß. Ohne Zweifel, sie hat sich kein leichtes Leben ausgesucht. Es ist wohl einer der abgeschiedensten und rückständigsten Orte die ich bislang in Europa gesehen habe. Frauen sieht man nur wenige auf den Straßen und wenn, dann beim Einkaufen. Die zahlreichen Cafés sind ausschließlich von Männern besucht. Getrunken wird türkischer Kaffee und Raki. Morgens, mittags und abends. Arbeit gibt es nur wenig, man lebt von harter Feldarbeit und Viehzucht. Für Frauen bleibt in dieser Gesellschaft nur wenig Spielraum, vor allem für eine, die das Leben in Mitteleuropa gewöhnt ist.
Albanisch spricht sie nicht. Mit ihrem Mann spricht sie griechisch, der ersten Fremdsprache hier in der Grenzregion, mit ihren Schwiegereltern gar nicht. Sie ist sichtlich erfreut ob des deutschsprachigen Besuchs. Freudig stürzt sie sich auf das angebotene Nutella aus meinem Rucksack. Ihr Mann verdreht die Augen und erinnert an die Folgen für die Figur. Sein Lächeln scheint dabei ein wenig aufgesetzt. Ich frage nicht ob es ihr hier gefällt, die Frage erübrigt sich: das Essen schmeckt ihr nicht, das Leben ist ihr zu einfach, der Himmel nicht blau genug und das Gras nicht grün genug. Es hält sie hier nur die Liebe zu ihrem Mann. Über 1000 Euro hat sie bereits investiert. Der ersehnte Stempel im Pass ihres Mannes aber ist noch immer in weiter Ferne. Solange dieser fehlt scheint sie gefangen zu sein hier oben zwischen Schafen und Kühen und zwischen Liebe und familiären Zwängen.